Unternehmertum in der Schweiz: Anspruch vs. Realität
- Philippe

- 20. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Die Schweiz präsentiert sich gerne als unternehmerfreundliches Land. Internationale Rankings bescheinigen uns hohe Innovationskraft, starke Hochschulen und stabile politische Rahmenbedingungen. Doch ein Blick in das tatsächliche Startup-Ökosystem der Schweiz zeigt ein deutlich komplexeres Bild. Die Bedingungen wirken auf den ersten Blick ideal – ihre Wirkung bleibt jedoch begrenzt.

Das Gespräch mit René Zeier, Hochschuldozent und langjähriger Begleiter von fast 400 Gründungen an der HSLU-SmartUp-Plattform, zeigt deutlich: Die Schweiz ist innovationsstark, aber zurückhaltend im Unternehmertum.
Innovationsland Schweiz – aber ohne grosse Startup-Erfolge
Der Widerspruch beginnt bereits bei der Statistik: In der Zentralschweiz existiert kein einziges Unicorn. In der Schweiz insgesamt nur eine Handvoll. In den USA über 1'000. Das Problem liegt nicht im Talent – davon gibt es reichlich. Es liegt auch nicht am Standort oder der Infrastruktur. Der Engpass ist kultureller Natur: Schweizerinnen und Schweizer gründen, aber sie skalieren selten.
Was in politischen Strategien als Stärke dargestellt wird – Vorsicht, Präzision, Risikominimierung – wird zum strukturellen Hindernis, sobald Wachstum gefragt ist.
Gründen in der Schweiz: solide, aber langsam
Die typischen Schritte einer Startup-Finanzierung in der Schweiz zeigen, wie stark der Fokus auf Sicherheit gerichtet ist:
Eigenkapital als Startbedingung (oft CHF 10’000 und mehr)
Private Finanzierungsrunde über persönliche Netzwerke
Erst später Zugang zu institutionellem Kapital, das in anderen Ländern bereits in frühen Phasen investiert
Diese Abfolge garantiert zwar Qualität, verlangsamt aber Prozesse, die international entscheidend sind. Die Schweiz bleibt damit ein guter Ort für die Gründung – aber kein idealer Ort für schnelles Wachstum.
Viele kleine Startups, wenig Wachstum
Zeiers SmartUp-Programm zeigt eine bemerkenswerte Vielfalt: Food-Produkte, Sportartikel, technologische Lösungen für Pflegeeinrichtungen, digitale Geschäftsmodelle. Diese Unternehmen sind qualitativ hochwertig und lokal relevant. Doch der Schritt vom soliden Schweizer Startup zum international skalierenden Unternehmen bleibt selten. Die Gründe dafür sind nicht regulatorischer Natur, sondern kulturell bedingt:Stabilität wird höher bewertet als Ambition.
Mentalitätsbarrieren als zentrales Problem
Das eigentliche Hindernis für Unternehmertum in der Schweiz ist die Mentalität. Viele potenzielle Gründerinnen und Gründer begegnen denselben Signalen:
„Mach zuerst deinen Abschluss.“
„Bist du sicher, dass du dieses Risiko eingehen willst?“
„Vielleicht später.“
Diese Haltung sorgt dafür, dass zwar viele Ideen entstehen, aber nur wenige konsequent umgesetzt werden. Die Schweiz fördert Gründung – aber sie fördert Zurückhaltung stärker als Unternehmertum.
Was die Schweiz jetzt braucht: klare Prioritäten
Um das Startup-Ökosystem der Schweiz nachhaltig zu stärken, braucht es drei konkrete Veränderungen:
Eine höhere Akzeptanz des ScheiternsFehlversuche sind ein natürlicher Bestandteil des Innovationsprozesses – keine Schwäche.
Mehr Frühphasen-Kapital für Schweizer StartupsInvestoren müssen bereit sein, früher zu investieren, bevor erste Umsätze existieren.
Politische und gesellschaftliche Signale zugunsten von WachstumUnternehmertum darf kein Sonderfall bleiben, sondern muss als strategischer Pfeiler der wirtschaftlichen Zukunft gelten.
Fazit: Die Schweiz hat die Infrastruktur – aber ihr fehlt der Mut
Die Schweiz hat kein Innovationsproblem, sondern ein Mentalitätsproblem. Die Rahmenbedingungen sind gut, doch die Kultur bleibt vorsichtig. Unternehmertum wird geschätzt, solange es klein, stabil und risikoarm bleibt.
Will die Schweiz im globalen Innovationswettbewerb bestehen, muss sie Unternehmertum nicht nur ermöglichen, sondern aktiv priorisieren. Wachstum entsteht nicht durch Sicherheit, sondern durch entschlossene Entscheidungen.









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