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Legacy Issues und politische Inszenierung


Kurz vor Weihnachten 2023 legte Viola Amherd, unsere Bundespräsidentin, noch schnell ein Päckli unter den politischen Baum: die scheinbare Annäherung an die EU – oder wie man es treffender nennen könnte, ein medienwirksames Schauspiel mit wenig Substanz. Ein EU-Vertragsabschluss wurde inszeniert, wo in Wirklichkeit vor allem eins passierte: nichts Konkretes. Willkommen in der Welt der Legacy Issues der Schweizer Politik.



Was sind Legacy Issues überhaupt?

In der IT ist ein „Legacy System“ eine veraltete Software, die noch irgendwie läuft, aber längst nicht mehr den aktuellen Anforderungen entspricht. In der Politik funktioniert das genauso – nur mit Menschen, Macht, Gewohnheiten und altgedienten Interessen. Und nirgendwo wird das so elegant kaschiert wie in der Schweizer Europapolitik.




Die ewige EU-Frage – ein politisches Fossil

Seit Jahrzehnten dreht sich die Schweiz in Sachen EU wie ein Hamster im Rad. Bilaterale Verträge, institutioneller Rahmen, Guillotine-Klauseln – es ist eine Mischung aus juristischer Origami-Kunst und politischem Eiertanz. Und mittendrin: die Angst, entweder die Souveränität zu verlieren oder den Zugang zum Binnenmarkt.


Dieses Dilemma ist längst ein klassisches Legacy Issue. Niemand will es wirklich lösen, weil jede Lösung irgendeinen Teil der Bevölkerung verärgern würde. Also wird das Thema schön verpackt, abgeschwächt, vertagt – oder, wie bei Amherd, als "Durchbruch" verkauft, ohne wirklich etwas durchbrochen zu haben.




Inszenierung statt Inhalt

Was Amherd im Dezember präsentierte, war weniger ein Verhandlungserfolg als ein geschickter Medienmoment. Noch vor den Feiertagen konnte man stolz verkünden, dass sich etwas bewegt. Und tatsächlich: Es gab ein "Verhandlungspaket", das allerdings mehr nach Kompromissrohling als nach tragfähigem Vertragswerk aussah.


Der mediale Effekt war da. Die tatsächliche Substanz? Fragwürdig. Das Ganze roch stark nach innenpolitischem Kalkül – Beruhigungspille für pro-europäische Kreise, ohne die SVP komplett auf die Barrikaden zu bringen.



Warum tun wir uns so schwer?

Die Schweiz liebt ihre Sonderwege, ihre Kompromisse, ihre Volksentscheide – das ist Teil ihrer politischen DNA. Doch genau diese Stärken führen dazu, dass wir Legacy Issues kultivieren, anstatt sie zu lösen. Wir schieben schwierige Fragen vor uns her, bauen institutionelle Flickenteppiche, und wenn es eng wird, halten wir ein Medien-Mikrofon hin und sagen: "Wir sind dran."



Die Schweiz, ein Museum politischer Altlasten?

Das EU-Dossier ist nicht das einzige Legacy Issue in der Schweizer Politik – aber eines der sichtbarsten. Und so lange wir es nicht schaffen, grundlegendere Entscheidungen zu treffen, werden wir weiter auf kurzfristige Inszenierungen setzen. Ob das auf Dauer reicht? Wohl kaum.



PS: Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns nicht nur von alten Systemen in der IT verabschieden, sondern auch von überkommenen politischen Gewohnheiten. Nur so wird aus einem Legacy Issue irgendwann ein echtes Update.

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