Die Steuerrevision 2026 wird als Entlastung für Familien und den Mittelstand beworben. Doch dieser Eindruck könnte täuschen: Die Reform basiert auf einer fragilen Finanzierungsgrundlage. Die Annahme, dass die Einnahmen aus der OECD-Mindestbesteuerung langfristig stabil bleiben, ist riskant. Wirtschaftliche Schwergewichte wie die USA (White House on OECD Global Tax Deal) oder die BRIC-Staaten setzen die Regelungen nur teilweise oder gar nicht um, was die Stabilität dieser Einnahmen infrage stellt.
Die aktuelle Analyse zeigt, dass die OECD-Mindestbesteuerung ab 2026 zwar zusätzliche Einnahmen generiert, diese aber nach wenigen Jahren versiegen könnten. Damit entsteht ein erhebliches finanzielles Risiko, das in der Vorbereitung der Revision nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Unstimmigkeiten im Bericht an den Landrat
Fehlkalkulation beim Kinderabzug
Im Bericht zur Steuerrevision wird ein Gesamtbetrag von CHF 1.1 Mio. für den Kinderabzug angesetzt. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass die tatsächlichen Kosten bei CHF 1.58 Mio. liegen – eine jährliche Differenz von CHF 480'000 oder 43,6 %. Diese Unterschätzung führt zu einer wesentlich grösseren Belastung des Haushalts, als im Bericht dargelegt wird.
Auszug aus dem Bericht aus dem Landrat (S. 51)

Auszug aus dem Bericht aus dem Landrat - Minderbeträge aller Massnahmen (S. 57)

Aufgearbeitete Übersicht der Minderbeträge aller Massnahmen

Unterschätzung der Kosten für Fremdbetreuung
Der Bericht geht von einer Steuerminderung von CHF 65'500 aus. Tatsächlich führt die Erhöhung des Abzugs von CHF 8'100 auf CHF 25'800 zu einer geschätzten Mehrbelastung von CHF 17'700 pro Jahr und Familie – ein Anstieg um den Faktor 3.19 oder 319 %. Die Annahme, dass nur etwa 10 Familien im gesamten Kanton davon profitieren, ist unrealistisch.
Auszug aus dem Bericht aus dem Landrat (S. 52/53)


Auszug aus dem Bericht aus dem Landrat - Minderbeträge aller Massnahmen (S. 57)

Aufgearbeitete Übersicht der Minderbeträge aller Massnahmen

Die zentrale Herausforderung: OECD-Mindestbesteuerung vs. Steuerrevision 2026
Die nachfolgenden Berechnungen zur Steuerrevision 2026 verdeutlichen das Ausmass der geplanten Mindereinnahmen. Besonders das 5-Jahres-Szenario zeigt, dass die Mindereinnahmen deutlich ansteigen, sollte die OECD-Mindestbesteuerung entfallen.
20-Jahres-Szenario: Im langfristigen Vergleich steigen die kumulierten Mindereinnahmen kontinuierlich. Die Steuerrevision führt hier bis 2045 zu einem Fehlbetrag von über CHF 106.8 Mio.
5-Jahres-Szenario: Bereits in den ersten Jahren entstehen Netto-Mindereinnahmen von bis zu CHF 10.3 Mio. pro Jahr, einschliesslich des Kantonsanteils von CHF 1.75 Mio., der in kantonale Projekte einfliesst. Bis 2045 summiert sich das Defizit auf CHF 173.0 Mio. Dies unter der Annahme, dass die OECD-Mindestbesteuerung global in fünf Jahren nicht mehr umgesetzt wird, die entsprechenden Gesetze jedoch weiterhin bestehen bleiben.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Steuerausfälle nicht nur ein kurzfristiges Problem darstellen, sondern sich über Jahrzehnte hinweg zu einem erheblichen Finanzrisiko entwickeln. Ohne Gegenmassnahmen würde dies ein kumuliertes Defizit verursachen, das nur durch Steuererhöhungen oder Einsparungen in Bereichen wie Bildung oder Infrastruktur ausgeglichen werden könnte.
Während Steuererleichterungen relativ leicht beschlossen werden können, sind Steuererhöhungen politisch schwer durchzusetzen. Daher setzten die Gemeinden auf Steuerrabatte, um eine flexiblere Steuerpolitik zu ermöglichen. Eine gesetzliche Korrektur zur Auflösung der Mindereinnahmen erscheint in diesem Kontext als schwierig. Wie beim Wandern: Berg hoch = anstrengend / Berg runter = einfach
Handlungsoptionen: Eine vorsichtige Steuerpolitik
Anstatt unsichere OECD-Einnahmen sofort für Steuervergünstigungen zu verwenden, könnte eine vorsichtige Strategie verfolgt werden:
Sicherung der Mehreinnahmen: Einnahmen aus der OECD-Mindestbesteuerung könnten in einem separaten Fonds reserviert werden, um das strukturelle Defizit von Nidwalden zu reduzieren. Die geplanten Minderungen verstärken das erläuterte strukturelle Defizit.
Dynamische Anpassung: Steuererleichterungen sollten nur umgesetzt werden, solange die Mindestbesteuerung die erhofften Erträge bringt.
Flexible Haushaltsplanung: Falls die OECD-Mindestbesteuerung entfällt, müssen Alternativen bereitstehen, um einen Finanzschock zu vermeiden.
Klare gesetzliche Regelungen: Eine Absichtserklärung im Steuergesetz könnte festhalten, dass Steuerentlastungen nur bei gesicherten Mehreinnahmen gewährt werden.
Finanzielle Vorsicht statt riskanter Versprechungen
Der Regierungsrat betont die positiven Aspekte der Steuerrevision 2026 in seiner Publikation vom 25. Februar 2025. Besonders hervorgehoben wird die steuerliche Entlastung von Familien, dem Mittelstand sowie Fach- und Führungskräften. Diese Reform basiert jedoch auf Mehreinnahmen aus der OECD-Mindestbesteuerung und auslaufenden Übergangsbestimmungen des STAF-Gesetzes.
Während die Vernehmlassung grösstenteils positiv ausfiel (also eine Zustimmung des Landrats und den Parteien), gab es Kritik an der geplanten Abschaffung der Steuerermässigung für Vermögenserträge. Nach den Rückmeldungen wurde beschlossen, diese beizubehalten. Der Regierungsrat argumentiert, dass trotz kurzfristiger Steuerausfälle langfristig ein Wachstumseffekt eintreten werde, der bis 2045 also bis zu CHF 100 Mio. zusätzliche Einnahmen generieren soll. Diese Annahme erscheint sehr optimistisch.
Die Berechnungen zeigen, dass ohne Vorkehrungen eine erhebliche Haushaltslücke entsteht. Eine vorausschauende Steuerpolitik muss das Risiko langfristiger Einnahmeausfälle minimieren und sicherstellen, dass die finanzielle Stabilität des Kantons gewahrt bleibt. Eine gesetzliche Verankerung, die Steuererleichterungen nur bei stabilen Mehreinnahmen zulässt, könnte Transparenz und finanzielle Sicherheit fördern.
Es bleibt abzuwarten, wie die finale Fassung der Steuerrevision aussehen wird. Klar ist, dass die Vorbereitung dieses Gesetzes schwerwiegende Unregelmässigkeiten aufweist, die weder im Landrat noch in den beteiligten Parteien erkannt wurden. Eine Steuerentlastung der Bevölkerung ist grundsätzlich zu begrüssen. Allerdings sollte eine solche Entlastung durch gezielte Kosteneinsparungen im Staatswesen erfolgen, anstatt auf Mehreinnahmen zu setzen, deren langfristige Stabilität unsicher ist.
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